Ist die Dortmunder Mitternachtsmission das Licht am Ende des Tunnels für Betroffene des Menschenhandels?

Die Dortmunder Mitternachtsmission setzt sich seit vielen Jahren für Sexarbeiterinnen ein und hilft Menschen mit vielfältigen Förderprogrammen. Wir haben mit Andrea Hitzke, Leiterin der Dortmunder Mitternachtsmission, über ihre Arbeit gesprochen.

EYLEM KUBANEK

Hallo Frau Hitzke, könne Sie sich erstmal kurz vorstellen?

Ich arbeite seit 1988 in der Geschäftsstelle der Dortmunder Mitternachtsmission. Von 1989 bis 1997 arbeitete ich als Streetworkerin mit drogenabhängigen Beschaffungsprostituierten und HIV- und AIDS- Beratung und Prävention. Seit 2021 bin ich geschäftsführende Leiterin des Vereins.

Gleichzeitig bin ich im Vorstand des Vereins KOK, der gegen Menschenhandel kämpft, und ich bin Trainerin für den Verein ECPAT Deutschland, der sich gegen sexuelle Gewalt und Handel mit Kindern einsetzt. Wir kooperieren mit vielen Organisationen und Behörden, weil ich denke, dass der Weg zum Erfolg ein gemeinsames Netzwerk und eine gemeinsame Arbeitsgrundlage ist, die mit anderen Organisationen, die in diesem Bereich arbeiten, geschaffen werden muss.

Können Sie uns etwas über die Dortmunder Mitternachtsmission erzählen?

Wir sind ein 1918 gegründeter gemeinnütziger Verein unter dem Dachverband des Diakonischen Werks. Die Mitternachtsmission wurde von der berühmten Sozialreformerin Josephin Butler inspiriert. Josephin Butler, bekannt für ihren Kampf gegen das Gesetz, das 1869 in England obligatorische Gesundheitskontrollen für Frauen vorsah, die in der Prostitution tätig waren, kämpfte dagegen, Frauen als verantwortlich für sexuell übertragbare Krankheiten in der Gesellschaft anzusehen. Sie kämpfte um Bildung, Obdach und andere Arbeitsbereiche für Frauen, die keine Alternative zur Sexarbeit hatten, und gründete damals zusammen mit Frauen der bürgerlich-christlichen Frauenbewegung die „midnight mission“, die Mitternachtsmission. Als die Mitternachtsmission 1918 in Deutschland gegründet wurde, halfen evangelische Malcheschwestern Frauen, die der Prostitution nachgehen mussten. Heute ist unser Verein eine Beratungsstelle, die mit Unterstützung und Spenden der Stadt Dortmund und des Landes NRW und Spenden die Klient*innen unterstützt, unabhängig von Religion oder Nationalität.

Können Sie über Ihre Arbeitsbereiche etwas mehr erzmählen?

Grundsätzlich haben wir zwei Hauptarbeitszweige und deren Unterzweige.

A- Umfassende Beratung im Bereich Prostitution

1. Kinder und Jugendliche in der Prostitution: Prostitution Minderjähriger ist verboten. Personen, die sexuelle Handlungen von Minderjährigen kaufen, machen sich strafbar. 2020 betreute die Mitternachtsmission 77 Kinder und Jugendliche , die sich prostituierten oder Opfer von Aussbeutung und Menschenhandel waren.

2. Straßenaktionen werden durchgeführt, um insgesamt 300 Frauen, die in 16 Heimen arbeiten, über ihre gesetzlichen und sozialen Rechte zu informieren.

Auch werden im Rahmen von aufsuchender Sozialarbeit die Frauen in den 16 Häusern über ihre gesetzlichen und sozialen Rechte informiert und unterstützt.

3. Beschaffungsprostitution zur Finanzierung von Drogen: Drogenabhängige Frauen prostituieren sich auf dem Straßenstrich, um ausreichend Geld für die Drogen zu erhalten.

Straßenprostitution: Straßenprostitution ist seit 2011 in Dortmund verboten. Diese hatte zur Folge, dass weniger insbesondere bulgarische Frauen auf der Straße der Prostitution nachgehen. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen dieser Frauen sind allerdings sehr schwierig und prekär.2020 unterstützen wir hier 149 Frauen ( 104 Beschaffungsprostituierte, 45 nicht drogenabhängige Frauen)

4. Bordellartige Betriebe: dazu gehören Clubs, Bars, Begleitservice, Prostitution in Wohnungen und Apartments.

5. HIV/AIDS- und STI- und Gesundheitsberatung und – prävention: dieser Schwerpunkt ist in allen Arbeitsbereichen von großer Wichtigkeit.

Unser Arbeitsansatz ist ganzheitlich. Das bedeutet, dass wir in allen Problemlagen unserer Klient*innen beraten und Unterstützen.

Unser Hilfeangebot ist zunächst niedrigschwellig, das heißt, dass wir insbesondere für die Frauen auf der Straße, die Kinder und Jugendlichen und die Opfer von Menschenhandel zunächst mit dem Nötigsten versorgen, wie Lebensmittel, Kleidung, Hygieneartikel, Kondome, Dusch- und Waschmöglichkeiten.

B-Hilfe für Opfer von

Menschenhandel

Mit falschen Versprechungen werden überwiegend Frauen und Mädchen aus Afrika, Osteuropa, Asien und Südamerika nach Deutschland gebracht. Diese Menschen, die anstelle der versprochenen Jobs zu Prostitution- Bettelei, ausbeuterischer Arbeit und Straftaten wie z.B. Betrug, Diebstahl und Drogenhandel, gezwungen werden, können sowohl Opfer Organisierter Kriminalität als auch Opfer von Einzeltäter*innen –z.B. eines Familienmitglieds- sein. Wir bieten Schutz und helfen diesen Menschen bei Behördengängen, bei der Organisation ihres Alltags, bei Wohnungssuche und gewährleisten umfassende psychosoziale Beratung und Hilfe. Und wir Unterstützen sie sowohl bei der Integration in Deutschland als auch bei der Rückkehr in die Heimat.

Eine verbreitete Methode der Zwangsprostitution ist die sogenannte „Loverboy-Methode“, bei der sehr viele deutsche Mädchen und junge Frauen betroffen sind.

Das heißt, die Täter bringen die Mädchen in eine extreme emotionale Abhängigkeit – die Mädchen verlieben sich in diese Männer, die Ihnen zunächst Geschenke, Aufmerksamkeit und Liebe anbieten, isolieren sie von ihrem sozialen Umfeld und der Familie und bringen sie dann mit großem psychischem Druck und auch physischer Gewalt zur Prostitution.

Es ist eine große Chance, eine Einrichtung zu haben, an die sich Menschen in der vielleicht schwierigsten Zeit ihres Lebens wenden können. Aber ich glaube, es gibt viele Leute in Dortmund, die nicht wissen, dass es einen solchen Verein gibt.

Glauben Sie, dass Sie Menschen in dieser Situation ausreichend erreichen können?

Die Anzahl der Menschen, die erreichen, steigt jedes Jahr. Wir haben 2020 1115 Menschen beraten und unterstützt, davon sind 756 Menschen mit Migrationshintergrund und 433 Opfer von Menschenhandel. Die Zahl der Menschen, die die Prostitutionstätigkeit aufgegeben haben, beträgt 81. Übrigens sollte ich erwähnen, dass wir einen speziellen Arbeitsbereich für diejenigen haben, die aus der Prostitution aussteigen wollen.

Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, diese Informationen bereitzustellen. Wenn möglich, möchte ich Ihnen eine konkrete Frage stellen; Können Sie uns sagen, warum Sie seit 33 Jahren so konsequent in diesem Bereich arbeiten, nämlich Ihre Motivation?

In meinem Berufsleben ist es gelungen sehr vielen Frauen und ihren Kindern zu helfen und ihnen eine neue Lebensperspektive zu geben. Der Erfolg macht Spaß und motiviert, weiter zu machen. Es ist sehr schön zu sehen, wenn sie zur Schule gehen, einen neuen Job bekommen, eine Wohnung bekommen und ein neues Leben beginnen.

Haben Sie etwas, das Sie abschließend hinzufügen möchten?

Ein junges Mädchen, das in den vergangenen Jahren in der Nordstadt Gewalt ausgesetzt und zur Prostitution gezwungen wurde, floh mitten in der Nacht und suchte Schutz in einem Kiosk, Eine andere junge Frau fand Zuflucht bei einer ihr unbekannten türkischen Familie. Sowohl der Kioskbesitzer als auch die türkische Familie fanden uns im Internet und wir konnten diesen jungen Mädchen helfen. Je mehr Menschen wir durch Ihre Zeitung auf die Mitternachtsmission aufmerksam machen können, desto mehr helfende Hände können wir ausstrecken. Ich freue mich auf Ihre Unterstützung in dieser Angelegenheiten.

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