Der auffälligste Teil der Armut in Dortmund und Nordstadt; die Obdachlosen

Der auffälligste Teil der Armut in Dortmund und Nordstadt; die Obdachlosen. Darüber haben wir mit Alexandra Gehrhardt  aus dem Bodo-Magazin- gesprochen. Ein heiglis Thema, worüber viel gesprochen wird, statt mit sie zusprechen.   Alexandra Gehrhardt hat unsere Fragen zum Thema vom Herzen beantwortet.

Wie viele Obdachlose leben in Dortmund?

Das weiß niemand. Obdachlose – also Menschen, die ohne ein Dach über dem Kopf draußen leben – werden in Deutschland nicht statistisch erfasst. Die Stadt Dortmund vermutet ungefähr 400 Obdachlose, wir schätzen, dass die tatsächliche Zahl um einiges höher ist.

Allerdings sind deutlich mehr Menschen in Dortmund wohnungslos, leben also in einer Unterkunft, einer städtischen Wohnung oder sind anderweitig untergebracht. Wir haben Zahlen des Landes und der Stadt Dortmund zusammengetragen und wissen, dass mehr als 2.300 Menschen in Dortmund keine eigene Wohnung haben.

Wie viele davon leben im Nordmarkt Quartier?

Haben sie einen Überblick über den Besuch von Obdachlosen im Nordmarkt Quartier, die in anderen Stadtteilen leben?

Wir wissen darum auch nicht, wie viele Menschen im Quartier Nordmarkt wohnen. Es ist aber so, dass Menschen sehr mobil sind, wenn die keine eigene Wohnung oder eine Bleibe haben. Sie halten sich in der Regel dort auf, wo sie es nicht weit zu den Versorgungseinrichtungen haben – und viele davon sind eben rund um den Nordmarkt: die Suppenküche Kana, das Wichernhaus und das Café Berta. Auch die Zentrale Beratungsstelle für Wohnungslose und der Brückentreff sind in der Nordstadt. Dieser Stadtteil, besonders das Nordmarkt-Quartier, hat darum eine besondere Rolle für wohnungslose Menschen.

Hier würde ich stattdessen eine andere Frage stellen:

Was können Sie zum Migrationshintergrund von Obdachlosen sagen?

Die wenigen Zahlen, die es gibt, zeigen einen deutlichen Anstieg unter den Wohnungslosen: 37 Prozent der Menschen ohne Wohnung hat eine andere Staatsangehörigkeit als die deutsche. Eine besonders von Obdachlosigkeit bedrohte Gruppe sind EU-Zuwanderer zum Beispiel aus Südosteuropa, aber zum Beispiel auch aus Polen, die in Deutschland häufig keinen Anspruch auf Sozialleistungen haben. In Dortmund ist der aber nötig, um die Notschlafstellen nutzen zu können. Nach einer kostenfreien Nacht heißt es dann für viele: zurück ins Herkunftsland oder auf die Straße.

Gleichzeitig ist Rassismus auf dem Wohnungsmarkt durchaus ein Thema. Migrantinnen und Migranten haben es auf dem Wohnungsmarkt insgesamt schwerer, eine Wohnung zu finden. In Dortmund leben noch hunderte anerkannte Flüchtlinge in städtischen Unterkünften, weil sie sich auf dem auf dem angespannten Wohnungsmarkt keine Wohnung finden. Das ist problematisch.

 Was wünschen sich die Obdachlosen? Was sind Ihre größten Probleme, mit denen sie im Alltag zu kämpfen haben? Welche Konflikte treten ggf. untereinander oder mit Anwohnenden auf?

Die meisten Menschen, mit denen wir sprechen, wünschen sich Dinge, die für andere eigentlich selbstverständlich sind: nicht draußen oder in einer Unterkunft schlafen zu müssen, eine eigene Wohnung zu haben, eine Küche, ein Bett.

Natürlich gibt es Konflikte – viele fühlen sich durch Obdachlose gestört und haben Vorurteile, die sich hartnäckig halten. Darum versuchen Betroffene häufig, ihre Notsituation zu verheimlichen und unsichtbar zu machen – und nehmen dann manchmal auch keine Hilfe in Anspruch. Das verschleiert das tatsächliche Ausmaß von Obdachlosigkeit.

Wer auf der Straße lebt, dem fehlt oft eine Tagesstruktur. Auf einem Wohnungsmarkt, auf dem es fast unmöglich geworden ist, eine günstige Wohnung zu finden und in dem es zu wenige Angebote für sie gibt, fehlen auch Perspektiven. Das kann dazu führen, dass Betroffene frustriert sind und irgendwann resignieren.

Wenn Menschen kein Dach über dem Kopf haben, machen sie Dinge, die andere Menschen in ihrer Wohnung machen, eben auf der Straße – und wer keine Toilette hat, muss eben draußen gehen. Natürlich ärgern sich Anwohner darüber. Wir sind aber sicher, dass die meisten Menschen ihr Leben lieber in einer Wohnung führen würden.

 Welche Forderungen haben Sie an die Stadt? Welche Maßnahmen wären aus Ihrer Sicht notwendig, um die Situation für Obdachlose zu verbessern?

Die Stadt hat im letzten Jahr ein Konzept zur Weiterentwicklung der Wohnungslosenhilfe beschlossen. Das ist erstmal positiv. Es ist einiges geplant, zum Beispiel eine bessere Versorgung von Wohnungslosen mit psychischen Erkrankungen oder zwei weitere Übernachtungsstellen für Suchtkranke und junge Erwachsene. Nur: Wann diese Einrichtungen entstehen, ist im Moment völlig unklar. Die neue Männerübernachtungsstelle, die im Januar eröffnet wurde, hat gerade einmal 15 Plätze mehr als die alte. Wir bezweifeln, dass sie auf Dauer ausreichen. Und: Nicht-Dortmunder und EU-Zugewanderte müssen nach einer Nacht wieder gehen, wenn die keine Sozialleistungen erhalten, oder selbst zahlen. Das geht an der Realität vorbei. Gleichzeitig ist die Frauenübernachtungsstelle seit Jahren überfüllt. Einen neuen Standort gibt es noch nicht, wann es ihn geben wird, wissen wir nicht.

Wir fordern, dass Obdachlose nicht aus dem öffentlichen Raum verdrängt werden. Im Herbst kam Dortmund in die Schlagzeilen, weil sie Obdachlose mit Ordnungsgeldern fürs „Lagern und Campieren“ belegte. Obdachlose wurden also dafür bestraft, dass sie obdachlos sind. Mittlerweile passiert das nicht mehr – und wir hoffen auch, dass das Ordnungsamt nicht einfach andere Delikte stärker bestraft, um Obdachlose aus dem öffentlichen Raum zu verdrängen.

Eine große Frage ist langfristig natürlich auch die nach bezahlbarem Wohnraum. Die Stadt hat in den vergangenen Jahren einiges getan, zum Beispiel eine Quote für sozialen Wohnungsbau festgelegt und selbst Wohnungen gebaut. Das merkt man aber auf dem Wohnungsmarkt bisher kaum. Gerade damit, selbst zu bauen, könnte die Stadt weitermachen, hat aber klar gesagt, dass sie das erst einmal nicht will und auf private Investoren setzt. Da würden wir uns ein Umdenken wünschen.

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