Ein Tag im Leben von einer FSJlerin

Ekin Hayırlı

EKİN HAYIRLI

Habt ihr euch schon Mal gefragt wie es ist ein Freiwilliges-Soziales Jahr (FSJ) zu machen? Ich habe vor kurzem damit angefangen und mache einen Job der mir echt viel Spaß macht, aber es gibt viele Hürden, die ich euch in diesem Artikel auch näherbringen will. Eins kann ich schon Mal vorwegnehmen – Pflegerinnen und Pfleger werden zurecht gefeiert aber ihre Löhne und Arbeitszeiten sind immer noch katastrophal und es fehlt an allem.

Im August dieses Jahres habe ich mit einem Freiwilligen Sozialen Jahr im Krankenhaus angefangen. Mir war bewusst, dass es sehr anstrengend wird, vor allem mit dem geringen Lohn, den ich für die Arbeit bekomme. Das FSJ mache ich als eine Überbrückung, bis ich einen Platz für ein Medizinstudium bekomme. Es ist für mich eine gute Möglichkeit Erfahrungen zu sammeln und Eindrücke vom Krankenhausalltag zu bekommen. Mir ist aber auch bewusst, dass ich das FSJ nur machen kann, weil ich bei meiner Mutter lebe und von ihr unterstützt werde. Die 400 Euro, die ich verdiene, muss ich größtenteils für mein Busticket, mein Handy und ähnliches ausgeben. Bei monatlichen 400 Euro und einer 40 Stunden Woche ergibt das übrigens einen Stundenlohn von 2,50 Euro. Jetzt könnte man vielleicht denken, dass ich „nur“ Praktikantin bin, aber wer im Krankenhaus arbeitet, weiß dass die Praktikanten genau so viel arbeiten wie die Pfleger, weil diese unsere Unterstützung notwendig haben.

ALLTAG IM KRANKENHAUS

Meine Schicht im Krankenhaus beginnt jeden Morgen um 7 Uhr auf der gynäkologischen Station, obwohl die Pfleger schon um 6:30 Uhr anfangen, um die Übergabe zu machen. Angekommen kriege ich dann schnell eine Übersicht und Infos zu allen Patientinnen. Dann geht’s sofort mit der Morgenrunde los. Wir gehen in alle Zimmer und machen einige Standardkontrollen, wie z.B. Blutdruck, Temperatur und teilen Medikamente aus. Auch die Pflege der Patientinnen findet jetzt statt. Das heißt, dass wir Patientinnen, die sich nicht mehr allein waschen können, dabei unterstützen, unter Umständen auch bei anderen Dingen, die für viele selbstverständlich sind wie die Zähne putzen und frühstücken am Morgen. Meistens sind wir nur zwei Pflegerinnen und zwei Praktikantinnen. Wenn dann schon morgens Patienten in den OP müssen, ist eine der beiden Pflegerinnen allein auf Station bei der Runde. Das ist weder für die Patienten noch für die Pfleger eine gerechte Situation. Die Morgenrunde ist im Idealfall so angesetzt, dass man um acht Uhr auf allen Zimmern einmal gewesen ist und alle Patientinnen sehen konnte. Das hat in meinen zwei Monaten dort noch nie funktioniert. In der Regel sind wir erst gegen zehn Uhr fertig, ohne dass wir selbst nur einen Schluck trinken konnten bei dem ganzen hin und her Laufen.

ZU WENIG PFLEGER AUF DER STATION

Wir sind eigentlich immer unterbesetzt, was zur Folge hat, dass ich als Praktikantin allein gelassen werde mit Patientinnen, oder mir eine Pflegerin zur Seite steht und die anderen Patienten warten müssen. Es muss also immer abgewogen werden welche Patientin Vorrang hat und welches Anliegen wichtiger ist. Es kommt auch oft vor, dass wir Pflegepersonal von einer fremden Station bekommen, weil wir sonst zu wenig Pfleger wären, die eine abgeschlossene Ausbildung haben, auch examinierte Pfleger genannt. Das hat dann zur Folge, dass sich diese Pfleger, mit dem Fachgebiet der Gynäkologie nicht ausreichend auskennen. Es ist eigentlich konstant ein sehr hohes Stressniveau vorhanden und man muss sich sehr gut organisieren, um alle Patienten angemessen zu behandeln. Die Pfleger sind dazu verpflichtet alles zu notieren, was auf den Zimmern geschieht, auch wenn da nur steht, dass die Patientin einen guten Allgemeinzustand hat und keine Schmerzen angibt. Durch den Zeitdruck geschieht es leider oft, dass die Dokumentation der Morgenrunde, erst mittags stattfindet, aus dem Gedächtnis heraus. Für die Ärztinnen und Ärzte ist die Situation übrigens nicht anders. Sie laufen ständig von A nach B und haben nur wenige Minuten für die Patienten Zeit, wodurch diese sich natürlich nicht gut behandelt fühlen. Manchmal bitten wir eine Ärztin darum einer Patientin einen neuen Zugang zu legen (d.h. eine Nadel mit „Anschluss“ durch die dann Infusionen laufen) und müssen mehrere Stunden warten, bis jemand zuständiges einige Minuten dafür Zeit aufbringen kann.

VIEL ARBEIT, WENIG GELD. ABBRECHEN?

Durch den dauerhaften Stress, den wir in der Pflege haben, hatte ich schon oft Momente, in denen ich dachte, es wäre besser das Jahrespraktikum abzubrechen, weil ich trotz der anstrengenden Arbeit nicht ausreichendes Geld habe, um mir Mal etwas zu kaufen was mir gefällt. Meinen Hobbys kann ich auch nicht mehr wie in der Schulzeit nachgehen. Bei den examinierten Pflegern sieht es nicht anders aus. Die versprochenen Corona Zulagen sind bei niemandem angekommen, den ich kenne.

WAS DIE PFLEGE WIRKLICH BRAUCHT

Trotz der ganzen Situationen, in denen ich frustriert und erschöpft bin, gehe ich jeden Tag gerne zur Arbeit. Ich glaube, dass es auch nicht zu bewältigen ist, wenn man keinen Spaß an der Arbeit hat. Der Stress und die schwierigen Arbeitsbedingungen werden von uns allen sehr schnell vergessen, wenn wir sehen, dass es einem Patienten oder eine Patientin besser geht, nachdem diese bei uns waren. Wir kriegen viel Dankbarkeit entgegen gebracht von denjenigen, die wissen wie schwierig es für uns ist. Das Wissen wir zu schätzen, aber Dankbarkeit allein reicht nicht aus. Was die Pflege wirklich braucht ist einen angemessenen Lohn und mehr Personal, um den Alltag für die Pfleger und auch der Patienten zu erleichtern.

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