Arbeiter*innen-Literatur hat bis in die 1980er-Jahre eine große Rolle gespielt

Wir hatten ein Gespräch mit Judit Balint und Janneke Eggert. Seit einiger Zeit sind wir im Gespräch mit dem Fritz-Hüser Institut. Sie haben unsere Interviewfragen beantwortet, für euch.

Könnt ihr uns eure Arbeit und das Fritz-Hüser-Institut kurz vorstellen?

Iuditha Balint: Das Fritz-Hüser-Institut ist eine Einrichtung der Stadt Dortmund. Wir forschen zum Thema Arbeitswelten, machen aber auch viel Literaturvermittlung. Wir schreiben Bücher und Artikel, organisieren wissenschaftliche Tagungen, suchen aber auch intensiv den Kontakt zu interessierten Bürger*innen durch Lesungen, Diskussionen und Ausstellungen über Literatur, Kunst oder Musik, in der es um verschiedene Arbeitswelten geht: ob es die Arbeit in der Fabrik oder im Büro ist, legale oder illegale, kreative oder körperliche Arbeit. Wir haben eine umfangreiche Bibliothek zu diesem Thema und wir haben ein großes Archiv mit Nachlässen von Autor*innen, die über Arbeitswelten geschrieben haben, wie z. B. Max von der Grün.

Wer war Fritz Hüser und warum trägt das Institut seinen Namen?

Janneke Eggert: Fritz Hüser wurde 1908 in Dorstfeld geboren und arbeitete zunächst in der Metallindustrie. Nach einem Arbeitsunfall musste er seinen Beruf aufgeben und ließ sich 1931 zum Bibliothekar ausbilden. Bereits in seiner Jugend sammelte er Arbeiterliteratur und konnte diese Leidenschaft dann zum Beruf machen. Nach dem II. Weltkrieg baute er im Auftrag der Stadt Dortmund die Volksbüchereien mit auf. Da die Nationalsozialisten viele Bücher vernichteten – auch große Teile von Hüsers Sammlung gingen verloren – und das Ansehen der Arbeiterliteratur beschädigt hatten, war es schwierig, interessierte Leser*innen und Forscher*innen für die Arbeiterliteratur zu finden. Hüser bemühte sich sehr diese wieder populärer zu machen und hatte dabei auch großen Erfolg. Aus seiner Sammlung entwickelte sich das Institut, das er der Stadt Dortmund übergab und das später zu seinen Ehren Fritz-Hüser-Institut für Literatur und Kultur der Arbeitswelt genannt wurde.

Welche Rolle spielen „Arbeiterliteratur“ und „Literatur der Arbeitswelt“ in Deutschland?

I. B.: Arbeiterliteratur – oder besser: Arbeiter*innen-Literatur – hat bis in die 1980er-Jahre eine große Rolle gespielt, Es gab viele schreibende Arbeiter*innen, aber auch Autor*innen, die für und über Arbeiter*innen geschrieben haben. Das ist jetzt nur noch selten so. Die Arbeitswelt hat sich verändert und damit auch die Literatur darüber. Es gibt viel „Literatur der Arbeitswelt“, also Werke, in denen es um Bürojobs, die IT-Branche, Manager oder Kunstschaffende geht. Arbeit ist aber in fast allen Romanen präsent, man muss nur darauf achten. Herzlich empfehlen können wir den Roman „Saisonarbeit“ von Heike Geißler, in dem es um Jobs bei Amazon geht.

Habt ihr gerade aktuelle Projekte oder Aktionen?

J. E.: Ja, viele! Im Juli haben wir z. B. eine Woche lang ein Theaterstück im Blücherpark gefilmt. Viele Kinder haben die Dreharbeiten begleitet und hatten großen Spaß dabei. Den Film zeigen wir im Dezember auf unserer Homepage und bei Facebook. Im August haben wir einen Schreibwettbewerb für Jugendliche online veranstaltet. Die Jugendlichen haben literarische Texte geschrieben, die dann im Buch „works in progress. Eine Schreibwerkstatt“ von Kimberly Becker und Ralf Thenior (der übrigens auch in der Nordstadt wohnt) herausgegeben wurden.

I. B.: Und jetzt gerade planen wir zusammen mit dem literaturhaus Dortmund einen Lese- und Musik-Abend über türkisch-deutsche Arbeiterliteratur, der im Dezember stattfinden soll.

Kann man euer Institut besuchen und im Archiv und der Bibliothek recherchieren?

I. B.: Ja, unbedingt! Alle sind willkommen.

Was würdet ihr gerne unseren Lesern sagen?

I. B.: Wenn wir Arbeit nicht nur als Erwerbsarbeit verstehen, sondern – wie in der Literatur – auch auf andere Lebensbereiche übertragen, können wir ein Bewusstsein dafür schaffen, was Menschen abseits des Berufs alles leisten, wofür sie aber nicht bezahlt werden. Kinder erziehen, sich um den Haushalt kümmern, Familienangehörige pflegen. Alles das ist Arbeit, die gesehen werden sollte und die Anerkennung verdient hat.

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