
von ERDAL DENİZ

Migration ist eines der ältesten Probleme der Menschheit. Das Ding namens menschliche Evolution ist eigentlich eine großartige Migrationsgeschichte. Seit er auf den Beinen ist, wandert der Homo Sapiens von einem Kontinent zum anderen, von einem Land zum anderen.
Er wurde Nomade, ein Arbeiter der Wildnis, um unter besseren klimatischen Bedingungen zu leben, ging auf die Jagd um mehr Beute zu erlegen und um seine Familie besser zu ernähren.
Abgesehen von den bekannten Ursachen der Migration gibt es hinsichtlich der Folgen zwei Seiten; Jede Migration hinterlässt ein „Hinterlassen“ abgesehen von denen, die weggehen. Im Laufe der Zeit wächst die Distanz zwischen denen, die gehen und denen, die bleiben. Entfremdung funktioniert in beide Richtungen. Er wird sowohl in dem Land, in das er geht, als auch in dem Land, das ihn wegschickt zum Ausländer. Aus diesem Grund haben wir endlose Schmerzen und Wunden, die sechzig Jahre lang nicht heilen. Denn wenn der erste Knopf einmal falsch geknöpft ist, dann sind alle anderen Knöpfe auch falsch(*).
Das Foto, das Anfang der 1960er Jahre in die Zeitungen auftauchte, kenne ich von meiner eigenen Familie, von meinem Vater. Gesundheitsuntersuchungen wurden von ausländischen Ärzten für diejenigen durchgeführt, die als Arbeiter vor Tophane in Istanbul/ vor der Agentur für Arbeit anstanden, um nach Europa zu gehen. Personen ohne gesundheitliche Probleme wurden als Arbeiter betrachtet. Personen mit gesundheitlichen Problemen verließen die Untersuchung mit Traurigkeit oder Tränen. Viele waren aufgebracht, nicht weil sie krank waren, sondern, weil sie nicht als Arbeiter nach Europa gehen durften.
Diese Kontrollen waren für das Visumverfahren nach Europa unverzichtbar. Angenommene Arbeiter mussten gesund und kräftig sein, sonst hätten sie nicht zum Funktionieren des deutschen Industrierades beigetragen. Aber sie waren Menschen, jeder mit seiner eigenen Geschichte, seinen Träumen und Erwartungen. Es wurde viel später verstanden, dass diese Arbeitskräfte, die für kurze Zeit in europäische Länder gebracht wurden, um dort zu arbeiten, Menschen und keine Maschine waren! (**)
Diese Fragen wurden ausführlich diskutiert und es wurde versucht, diese mit verschiedenen politischen Maßnahmen zu überwinden, aber leider bleibt das Problem weiterhin auf der Tagesordnung. Vor kurzem wurde eine Umfrage unter den Schülern unserer Umgebung durchgeführt.
In dieser Umfrage wurde den Schülern folgende Frage gestellt: „Haben Sie Hobbys, denen Sie nach der Schule nachgehen, und wenn ja, welche?“. Diese scheinbar einfache Frage war wichtig. Auf diese Frage antworteten einige unserer Türkeistämmige Schüler: „Ich gehe zum Korankurs“ und der andere Teil „Ich gehe zum Sazkurs“. Die Antwort „Ich gehe in den Gitarren-, Mal- oder Geigenkurs“ haben nur sehr wenige Schüler gegeben. Die überwiegende Mehrheit der Befragten gab an, keine Hobbys zu haben.
Wir befinden uns im sechzigsten Jahr der Einwanderung. Tatsächlich gibt die Beziehung, die unsere Großväter, Väter und wir in diesen 60 Jahren zur Kunst aufgebaut haben, eine angemessene Vorstellung davon, wo wir in dieser Gesellschaft stehen. Wir sind weit davon entfernt, eine universelle Sprache zu verwenden, die durch kulturelle, soziale und politische Aktivitäten an Bedeutung gewinnt. Natürlich gibt es in Deutschland auch unter Migran*innen Intellektuelle, Künstler*innen und Schriftsteller*innen, darunter sogar einige sehr erfolgreiche, aber das sind sehr wenige und nicht ausreichend.
KUNST IST NICHT NUR EINE PROFESSIONELLE WAHL
Für die Entwicklung des ästhetischen und schöpferischen Bewusstseins ist die Existenz von freiem Denken, freiem Ausdruck und freien Individuen erforderlich und umgekehrt: Mit der Etablierung der freien Gedankenstruktur entwickelt sich auch die Ästhetik, die geschlossene Gesellschaftsstruktur und bedrückende Beziehungen lösen sich auf. Dies erleichtert den Ausschluss aller Arten reaktionärer Ideologien, insbesondere des Feudalismus, aus den zeitgenössischen Beziehungen.
Diese Situation wurde erst seit kurzem an Schulen bemerkt und die Kunsterziehung wird zunehmend betont, aber da das wirtschaftliche Budget der Schulen nicht ausreicht, können sich diese Studien nicht ausreichend entwickeln.
Trotz der Tatsache, dass die Landesregierungen diese Manko sehen, aber wegen unzureichend zur Verfügung gestellten Budget und Personal bleiben die Fortschritte bei der Arbeit zu diesem Thema auf der Mikroebene.
Wir müssen zugeben, dass sich auch unsere Verbände und Organisationen in Deutschland in dieser Hinsicht falsch verhalten. Unseren Kindern wird diese Bildung vorenthalten, weil vielen Vereinen die begrenzte Zahl von Projekten der Bundesregierung gleichgültig ist. Ich muss sagen, dass sich die wenigsten Verbände des Problems bewusst sind.
Die Ursache eines Problems zu erkennen bedeutet nicht, dass wir das Problem gelöst haben. Es erfordert ernsthafte Bemühungen, ein Problem zu lösen. Als Vorbild empfinde ich den Bezent e.V., der einen wichtigen Platz in unseren mit diesem Bewusstsein agierenden Vereinen einnimmt. Wenn wir akzeptieren, dass Kunst die universelle Ausdrucksform der gesamten Menschheit ist, sollten wir uns und unseren Nächsten nicht die folgende Frage stellen: Wenn die universelle Sprache der Menschheit in der Kunst lebendig wird, warum halten wir uns davon fern?
An dem heute erreichten Punkt ist es nicht sehr sinnvoll, über die Verluste dieser Distanz zu sprechen, denn dafür gibt es keinen Ausgleich mehr. Wir können jedoch damit beginnen, das Problem mit der richtigen Perspektive zu betrachten. Der erste Schritt sollte darin bestehen, den falsch geknöpften Knopf zu korrigieren. Wenn wir den ersten Knopf richtig knöpfen, kommt der Rest automatisch. Bleiben Sie gesund und solidarisch.
(*) „Wenn der erste Knopf an das Hemd falsch geknöpft ist, sind auch die anderen falsch.“ (Giordano Bruno.)
(**) „Wir riefen Arbeitskräften und kamen Menschen“ (Max Frisch, 1965)
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