Gott möge dich zum Kioskbesitzer machen!

DA WO MIGRANTINEN AUS TURKEI VERMEHRT LEBEN, TRIFFT MAN AUF SCHRITT UND TRITT EINEM KIOSKGESCHäFT. MEISTENS WERDEN DIESE LäDEN VON MIGRANTEN BETRIEBEN. SIE SIND SOWOHL FÜR IHRE BESITZER, ALS AUCH FÜR DIE MITARBEITER EINE RASPEL DES LEBENS.

EVİN DURMUŞ

Ein Kioskgeschäft setzt lange Arbeitszeiten in einem kleinen Laden voraus. Der Beruf ist mit Stress verbunden. Ein Kioskgeschäft zu betreiben, ist sehr anstrengend und wohl sehr ermüdend. Sowohl der Kiosksektor, als auch der Gastronomiesektor miteinander sind wohl die beiden größten Sektoren, wo türkische Kleinhändler häufig anzutreffen sind.

Auch im Zentrum Dortmunds befindet sich neben der historischen Reinoldi Kirche der Reinoldi Kiosk, der zu dieser Gruppe gehört. Der Kioskbesitzer Şemsettin Küçük ist eigentlich ein pensonierter Bergarbeiter aus der Türkei. In Zonguldak hat er bei der Türkischen Kohleagentur gearbeitet und ist hier in Rente gegangen. Er nahm auch an der großen Demonstration der Bergarbeiter in Zonguldak teil. Danach hat er in Deutschland wegen politischer Verfolgung Asyl beantragt und später die deutsche Staatsbürgerschaft eingebürgert.

Und da er mit dem Rentenbeitrag aus der Türkei sein Leben in Deutschland bestreiten konnte, ging er ins Kioskgeschäft. “ Als ich hierhin kam, musste ich arbeiten, um mein Leben bestreiten zu können. Zu der Zeit hatte ich einen Freund, der ein Kioskgeschäft betrieben hatte. Ich habe ihm am Anfang hier für einige Stunden ausgeholfen. Nachdem ich das Geschäft kennenlernte, hat mein Freund sein Kioskgeschäft mir übergeben. Ich habe es ein Jahr lang geführt. Dann lief mein Mietvertrag aus. Das Gebäude wurde renoviert und ich musste meinen Laden schliessen.”

Zu der Zeit wurde der Reinoldi Kiosk auch renoviert. Viele wollten das Geschäft kaufen, aber nur Şemsettin Küçük hat es geschafft den Laden zu übernehmen. Er betreibt sein Kiosk seit 4 Jahren. “ Ich werde dieses Geschäft schon alleine deswegen weiterführen, um nicht zum Sozialamt gehen zu müssen. Ich habe gar keine Berufsausbildung, auch reichen meine Deutschkenntnisse nicht aus. Ich verfüge auch nicht über ein Startkapital, um etwas anderes zu wagen”, erzählt Şemsettin Küçük und fügt hinzu, dass Migranten in den Sektor gehen, da dafür nicht viel Kapital benötig würde.

SCHLECHTE VORAUSSETZUNGEN, NIEDRIGE LÖHNE

In Deutschland trifft man immer wieder in den hinteren Straßen auf Kioskgeschäfte. Da in Deutschland Kaufhäuser früh schließen und über Feiertage geschlossen bleiben, sieht man auch Kioskgeschäfte, die 24 Stunden am Tag offen sind. Hier kriegt man immer Tabakwaren und Alkohol. Die Mitarbeiter der Kioskgeschäfte arbeiten für Niedriglöhne. Şemsettin Küçük deutet an, dass sein Kiosk etwas größer als andere Kioskgeschäfte wäre. Hier arbeiten neben allen seinen Familienmitgliedern noch fünf weitere Angestellte.

RASSISTISCHE DROHUNGEN
Über die Probleme seines kleinen Berufes erzählt uns Küçük: “ Es hat viele Nachteile. Du triffst auf unterschiedlichste Menschen. Die Sicherheit ist das größte Manko des Berufes. Sie versuchen Maßnahmen zu ergreifen, um sich besser zu schützen. Wir sind rassistischen Drohungen ausgesetzt.”

Şemsettin Küçük erinnert an den Kleinhändler Mehmet Kubaşık, der in Dortmund von der rassistischen NSU ermordet wurde. Er teilt mit uns zwei seiner Erinnerungen: “ Die Polizei hat einen Nazi beobachtet, der rassistische Sprüche an die Wände der Häuser schmierte, er ist in mein Geschäft gekomnen und hat sich ein Getränk geholt. Als er aus dem Laden lief, hat ihn die Polizei gestellt. Wir wissen nicht genau, warum er in unser Geschäft kam. Wenn so etwas passiert, kommen einem sofort als erstes die rassistischen NSU- Morde in den Sinn. Ein anderes Mal hat ein Kunde seine gekaufte Ware mit einem Hakenkreuz und anderen Nazisymbolen beschmiertem Geldschein bezahlen wollen. Als ich das gemerkt habe und ihn mit dem Fall direkt konfrontierte, stritt er alles ab. Als ich ihn auf die Kamera in meinem Geschäft aufmerksam machte und sagte, dass ich die Polizei rufen würde, ist er abgehauen. Bei einem deutschen Händler könnte er mit so einem Geldschein niemals bezahlen. Die machen das um uns einzuschüchtern und weil wir Ausländer sind.”

Şemsettin Küçük meint das Betreiben eines Kioskgeschäftes sehr anstrengen und ermüdend wäre. Es würde das soziale Leben der Betreiber und der Mitarbeiter zerstören.

“Es ist sehr anstrengend. Wir finden kaum Zeit zu schlafen. Haben für unsere Familien und Kinder nie genug Zeit”, fügt er dann hinzu. “Wenn man jemandem fluchen wollte, sollte man am Liebsten sagen, ‘ Möge Gott dich zu einem Kiosbesitzer oder Imbißbetreiber machen.”

(Übersetzung: Özgür Metin Demirel)

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