Brief einer Arbeiterin: Wieviel Cent ist das Leben eines Arbeiters wert?

Ein Dortmunder Arbeiterin im Sozialen Dienst richtete sich mit einem Brief an uns und berichtete darin, über ihre Sorgen und Probleme in der Coronazeit. Wir veröffentlichen ihren Brief komplett.

Ich arbeite in einem Betrieb im Sozialen Dienst, wo ca. 150 Beschäftigte angestellt sind. In der Coronazeit arbeiten zu müssen, hat unser Leben im allgemeinen und auch insbesonsere unser Arbeitsleben tief erschüttert. Ich bin verheiratet und habe zwei Kinder. Die Arbeit, die ich verrichte, gehörte zu den unverzichtbaren Arbeiten und mein Betrieb wurde deshalb auch nicht in dieser Zeit geschlossen und die Belegschaft bekam keinen Sonderurlaub. Ich arbeitete also weiter. Da aber in dieser Zeit auch die Schulen geschlossen wurden, mussten meine beiden Kinder zu Hause bleiben.

Da sowohl ich als auch mein Ehegatte arbeiten müssen, können wir aber nicht bei unseren Kindern bleiben und uns wie üblich um unsere Kinder kümmern. Obwohl die Situation auch für sie sehr gefährlich gewesen ist und meine Eltern zu der Risikogruppe zählten, musste ich meine Kinder bei meinen 70-71 Jahre alten Eltern lassen. Dazu leiden sie noch am chronischen Krankheiten. Was hätte ich denn sonst machen sollen? Sowohl ich als auch mein Ehegatte haben schreckliche Angst, wenn wir nach der Arbeit nach Hause kommen. Meine Eltern und ich leben nicht im selben Haushalt. Das Risiko den Virus von der Arbeit mitzunehmen und meine Eltern damit zu infizieren, ist überaus gross. Das macht uns schreckliche Sorgen. Wir haben nur gehofft, dass wir nicht den Virus übertragen werden. So mussten wir in dieser Zeit immer zur Arbeit gehen.

Ich arbeite in einem Betrieb im Sozialen Dienst. Alle, die zu den Risikogruppen zählten, wurden nach Hause geschickt. Den Bürokräften wurden neue Arbeitsplätze zugewiesen, von wo sie ihre Tätigkeit weiterführen konnten. Trotzalledem kommen wir der Arbeit nicht hinterher. Wir sind gezwungen mehr und länger zu arbeiten. Wir sind dazu angehalten, noch mehr und intensiv zu arbeiten. In dieser Hektik können wir manchmal uns auch nicht an die geforderten Sicherheitsvorgaben zu halten. Vielfach ist es oft unmöglich sich an die Abstandsregel einzuhalten. Nach Arbeitsende denke ich auf dem Heimweg immer wieder darüber nach, ob ich mich wohl bei der Arbeit mit dem Virus angesteckt haben könnte.

Unter dieser Stresssituation zu arbeiten, zerstört den ausgewogenen psychologischen Zustand und belastet uns sehr. Eines Tages kam ein neuer Mitarbeiter von einer Leihfirma zu uns im den Betrieb und wurde an den Arbeitsplatz in meiner unmittelbaren Nähe zugewiesen. Er arbeitete einen ganzen Tag neben mir. Als er am nächsten Tag nicht zur Arbeit erschien, redeten alle darüber. Wir erfuhren, dass er an Coronavirus erkrannt war. Natürlich können Menschen krank werden. Aber , dass unsere Vorgesetzten uns diese wichtige Information vorenthalten, ist überaus nicht verständlich und hinnehmbar. Müssten nicht daraufhin nicht die zuständigen Gesundheitsvorschriften eingehalten werden, das Gesundheitsamt benachrichtigt werden und wir auf den Coronavirus getestet werden?

Auf die Frage, warum sie denn nicht darüber informiert hätten, sollen diese nur schlicht und dreist geantwortet haben: “ Damit ihr keine Angst bekommen würdet.“

Denkt mal bitte darüber nach. Dieser Betrieb ist im Sozialen Dienst tätig. Wenn der Chef sogar hier so unverantwortungslos handelt, wie soll es dann in anderen Unternehmen, Fabriken, Betrieben, die dazu noch miteinander konkurieren, aussehen? Ich kann mir das gar nicht ausmalen, wie die Situation wohl da sein wird. Ist das Leben der Beschäftigten, die in so einer schwierigen Zeit immer noch arbeiten müssen und produzieren, so wenig wert? Wieviel Cent sind wir denn eigentlich wert? Ich überlasse die Beantwortung dieser Frage gerne den Leserinnen!

(Übersetzung: Özgür Metin Demirel)

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