Der Planerladen setzt mit einer Förderung vom Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat (BMI) seit Anfang des Jahres das Projekt „Nordstadt to go!“ um. Dabei steht die Nordstadt als vielfältiger Stadtteil im Fokus. Zu Fuß erkunden das Projektteam und die Teilnehmenden das Viertel und erhalten neue, einzigartige Eindrücke zu den Themen Gastronomie, Fotografie, Geschichte und Politik. Die Touren sollen Menschen mit und ohne Zuwanderungsgeschichte zusammenbringen, Barrieren abbauen und Kulturen in einem zwanglosen Rahmen vorstellen. Anwohner*innen, Vereine und viele andere Akteur*innen sind dabei und laden alle Dortmunder*innen herzlich zur Teilnahme ein.
Im August begann ein Fotografie-Projekt für Jugendliche mit einem Workshop im Dietrich-Keuning-Haus. Auf Einwegkameras haben die 15 bis 22-Jährigen Eindrücke aus der Nordstadt festgehalten und zeichnen ein individuell-subjektives Bild ihrer Umgebung. Die Ergebnisse werden ausgestellt und der Öffentlichkeit präsentiert. „Viel musste ich gar nicht sagen, die Mädels und Jungs waren super kreativ! Das wird eine spannende und bunte Ausstellung“, meint Leopold Achilles, der Fotograf und Leiter des Workshops. Eine Teilnehmerin kommentierte ihr Foto von einem Kiosk: „Nach der Schule ist der Kiosk meine Rettung“. Manche Titel wurden in der Muttersprache geschrieben und dann auf Deutsch übersetzt. In Kooperation mit dem DEPOT entstand eine ungewöhnliche Fotoausstellung, die kostenlos besucht werden kann: ab dem 6.11. 14 Uhr in der Galerie im Depot, Immermannstr. 29, 44147 Dortmund. Die Fotos werden nach der Ausstellung im DEPOT auch unter dem Hashtag #nordstadtkannmehr in den sozialen Medien gepostet.
Auf zwei Rundgängen unter dem Namen „Nordstadt schmeckt!“ erkundete eine Gruppe mit den Projektmitarbeiterinnen Fatlinda Bajrajmaj und Anna Tenholt die Küchen der Nordstadt. Sie lernten das äthiopische Kaffeeritual kennen, probierten Baklava und arabische Dips und diskutierten lebhaft.
Yunus Ulusoy und Caner Aver begleiten die Rundgänge mit Fachwissen. Caner Aver forscht und publiziert zum Thema Migration, Integration und Ökonomie am ZfTI (Stiftung Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung) der Universität Duisburg-Essen. „Es gibt so gut wie keinen Leerstand. Manche der Betreiber und Betreiberinnen sind seit Generationen hier, aber auch jemand, der erst vor wenigen Jahren immigriert ist und einen Mitarbeiter beschäftigt, trägt zum wirtschaftlichen Erfolg bei. Das ist doch bemerkenswert!“, so Aver.
Die meisten der Gastgeber*innen haben eine Migrationsgeschichte und berichten im Gespräch mit den Gästen über ihre Erfahrung, wie sie ihre Selbstständigkeit verwirklicht haben, welche Hürden sie dabei gemeistert haben und welche Bedeutung die Nordstadt als Standort für sie hat. „Migrationsprozesse erscheinen im Kontext eines Menschenlebens sehr lang, aber im historischen Kontext ist es ein sehr kurzer Zeitraum. Veränderungen gehören zum Leben, daher sollte man ihnen mit einer gewissen Gelassenheit begegnen. Ein Zeichen dieser Veränderungen erleben wir in der Dortmunder Nordstadt durch die Vielfalt der gastronomischen Angebote, Geschäfte und Dienstleistungen“, erklärt Yunus Ulusoy.
Auf dem neuesten Rundgang „Spuren der Gewalt“ werden am 28.10. ab 10 Uhr Erinnerungsorte in der Nordstadt in den aktuellen Kontext gestellt und reflektiert. Dabei thematisieren zwei Expertin*innen von der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache sowie vom bundesweit aktiven Bündnis „Tag der Solidarität“ die Themen rechte Gewalt, Opfer und Widerstand. Die Tour beginnt am Eingang des Cinestar, direkt neben der Steinwache. Die Steinwache ist in Dortmund und darüber hinaus bekannt als Polizeigefängnis, in dem während des Nationalsozialismus mehr als 66.000 Menschen festgehalten und vielfach vor allem durch die Gestapo misshandelt wurden. Auch Kurt Piehl saß hier in Haft, er wurde nach 1945 bekannt als Dortmunder Widerständler. In Gedenken an die Menschen, die ganz konkret als Edelweißgruppen Widerstand gegen die Nationalsozialisten leisteten, wurde auch das Haus Schleswiger Str. 40 gestaltet. Anschließend führt der Rundgang zum Nordmarkt und zum Mahnmal für die „Schlacht am Nordmarkt“. Am Mehmet- Kubaşık-Platz sprechen die Expert*innen über Mehmet Kubaşık und die NSU-Morde.
Ziele der Rundgänge:
– Besonderheiten des Stadtteils erfahren
– Vermittlung von Wissen zu unterschiedlichen Themen, als Basis für weitere Dialoge, Diskussionen, Selbstreflexion
– Förderung des interkulturellen Austauschs
– Bildung eines differenzierteren Meinungsbildes
Zielgruppen:
– Anwohner*innen
– interessierte Einzelpersonen und Gruppen
– Schulen
– Multiplikator*innen
– Mitarbeitende in Vereinen und Organisationen
– Studierende (im Rahmen von Exkursionen)
Weitere Bausteine des Projekts:
– Dialogveranstaltungen (Schulungen, Workshops, Lese-, Film-, Musik- und Diskussionsabende)
– Stadtteilfest
– Kampagnen Erste Einblicke, weitere Informationen und Teilnahmebedingungen zu Rundgängen und anderen Veranstaltungen finden sich auf www.nordstadt-to-go.de und auf Instagram @nordstadttogo.
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