Früher waren unsere Türen für alle offen

ŞEMSETTİN KÜÇÜK

Vor 60 Jahren fing die Arbeitsmigration aus der Türkei an. Dies ist die Geschichte, die bittere und süße Erinnerungen von Millionen von Menschen mit umfasst… Obwohl sie alle individuelle und getrennte Lebensgänge waren, hatten sie doch aber alle einen gemeinsamen Traum gehabt. Sie alle wollten etwas Geld verdienen und dann ein glückliches Leben in der Heimat führen. Es ist gleichwohl auch ein Eingeständnis für die Nichterreichung des Traumes von einem zukünftigen Leben in der Heimat. Hacer“s Familie ist 1970 nach Deutschland gekommen. Sie selbst kam ihrer Familie im Jahre 1973 nach. Seit 30 Jahren arbeitet sie in Deutschland als Friseurin.

„Meine Familie konnte keine Arbeit in der Heimat finden und ist für ein besseres Leben nach Deutschland ausgewandert. Sie wollten etwas Geld ansparen und wieder in die Heimat zurückkehren. Doch es verlief anders als sie wollten. Entgegen ihrem Wunsch in die Heimat zurückzukehren, haben sie uns doch noch nach Deutschland eingeholt.“, gibt Hacer an, die sich darauf zurückerinnert, dass sie nach der Familienzusammenführung in den ersten Tagen überglücklich gewesen waren, wieder zusammengekommen zu sein. Sie hätten aber auch etwas Sorge gehabt. Am Anfang hätten sie große Probleme gehabt sich der Gesellschaft anzupassen. Doch dann soll es ihr und ihrer Familie leichtgefallen sein, sich zu integrieren. „Wir wurden eingeschult. Ich und mein Bruder gingen in die Schule und machten hier unsere Ausbildung zu Ende. Es fiel uns gar nicht schwer, uns zu integrieren. Zu unserer Integration trugen unsere deutschen Nachbarn und Freundinnen in der Schule sehr viel bei. Sie haben uns sehr geholfen. Dass wir uns hier nicht fremd gefühlt haben, haben wir der Situation zu verdanken, dass unsere Schulkameraden und Nachbarn uns gegenüber aufgeschlossen und offen waren. „Wir waren mit den deutschen und den Arbeiterfamilien aus den unterschiedlichsten Ländern wie eine große Familie. Wir hatten ein sehr solidarisches Verhältnis zueinander gehabt“, bestätigt Hacer und fügt anschließend hinzu: „Unsere Wohnungstüren waren früher für jeden offen. Wenn wir Probleme hatten, halfen uns unsere Nachbarinnen.

Bei der Suche nach Arbeit, bei Problemen bei den Schulhausaufgaben wurde gegenseitig unterstützt. Es gab zwar gewisse Differenzen zwischen Einheimischen und Ausländern aber wir nahmen diese aber nicht so direkt wahr. Das lag da dran, dass unsere Freundinnen und Nachbarn uns nicht als Fremde behandelten. „Es galt auch zu dieser Zeit zwar das Ausländergesetz, dessen Geltung allein schon eine Ausgrenzung und Diskriminierung bedeutet.“, sagt Hacer und fügt dem hinzu: „Wir hatten kein Wahlrecht, konnten nicht gewählt werden. Das hielt uns von dem politischen Leben fern. Obwohl wir hier arbeiteten und das Leben hier verbrachten, wurden wir nicht als ein Teil und Dazugehörige angesehen. Die deutsche Regierung sah nicht ein, dass Deutschland ein Einwanderungsland gewesen war. Ich denke, dass dieses Gesetz dazu beitrug, dass das deutsche Volk uns als Ausländer sah.“ Hacer antwortet auf die Frage, welche Gründe es wohl dafür gibt, die das Zusammenleben in der Gesellschaft erschwerten und die Solidarität, die zu den Anfängen weitverbreitet gewesen ist, abbauten: „Wenn die wirtschaftliche Lage sich erschwert, werden die Menschen auch noch egoistischer. Durch die Zunahme der Zuwanderung, durch die Flucht aus ärmeren Regionen der Welt und vor den dort vorhandenen Kriegen, nimmt auch die Ausländerfeindlichkeit zu. Sowohl die Regierungen aus den Heimatländern dieser Menschen, als auch die hiesige Regierungen haben die Migrationsproblematik immer im eigenen Interesse missbraucht. Obwohl meine Kinder hier geboren und aufgewachsen sind, können sie sich hier nicht integrieren. Sie werden in allen Bereichen des Lebens als Ausländer abgestempelt. Aber sie sind Kinder dieser Gesellschaft. Sie haben deutsche Freunde. Sie leben mit den Deutschen zusammen. Ich denke, dass diejenigen, die ständig über die Integration schwadronieren, einen Hintergedanken hegen. Eigentlich müssen diese doch integriert werden. Hacer glaubt auch nicht daran, dass die Regierungen einen Kampf gegen Diskriminierung und Ausgrenzung führen würden.

Sie ist der Überzeugung, dass Diskriminierung und Ausgrenzung teilweise offen und teilweise versteckt fortbestehen und systematisch angewandt werden. Für sie steht eins fest. Der Kampf gegen Rassismus und Ausgrenzung muss, wie es beim Jahrestag des Massakers von Hanau auch war, gemeinsam geführt werden. „90 % der Teilnehmerinnen waren Deutsche. Auch Migrant*innen hatten an der Gedenkveranstaltung teilgenommen. Für meinen Geschmack waren es aber immer noch zu wenige. Wir müssen uns mit unseren deutschen Geschwistern und den Beschäftigten aus den anderen Nationalitäten zusammenschließen und für ein besseres Leben kämpfen.“
(Deutsche Übersetzung: Özgür Metin Demirel )

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