Das glänzende Wasser des Phoenixsees

Hüseyin Kantaş

HÜSEYİN KANTAŞ

Der Mensch kann sich nicht so leicht an die Stadt gewöhnen, in der er lebt. Insbesondere dann nicht, wenn es sich um eine Großstadt handelt und wenn der Mensch schon im fortgeschrittenen Alter ist… So wie ich mir es auch vorgenommen hatte, war ich sehr früh aus dem Haus gegangen und besuchte Ortschaften, die ich plante, heute zu besuchen. Ich hatte um 09:30 Uhr einen Arzttermin in Hörde. Nachdem ich an der Haltestelle ausstieg, fand ich die Adresse mit Hilfe der anderen Passanten, die ich nach der Adresse gefragt hatte.

Mein Ziel befand sich im dritten Stock eines sehr modernen Gebäudes, das unmittelbar an dem Phoenixsee angrenzte. Im Eingangsgeschoss befand sich ein schönes Café. Nachdem der Arzt mir drei Augentropfen verabreicht hatte, konnte ich kaum noch was sehen, sodass ich mich nach dem Arztbesuch prompt in dieses Café setzte. Der See stand jetzt zu meinen Füßen…

Wenn ich vom See schreibe, soll sich bitte niemand aber diesen Ort so vorstellen, wo es Röhricht und sumpfartig sei oder etwa auch stinkt. Der Phoenixsee ähnelt mehr dem Meer als einem See. Kleine Boote, Tretboote und auch die berühmte Thomasbirne, die einst sich in der damaligen Fabrik befand, standen jetzt direkt vor mir. Dieser besondere birnenförmige Kessel, der einem Zementmischer ähnelte, erinnerte alle Besucher daran, dass einst hier eine Metallfabrik stand… Nach der Schließung der Fabrik existierte der Ort als ein Sumpfgebiet. Schließlich wurde hier ein künstlicher See gebaut und der Ort wurde als Tourismusort ausgewiesen.

Hörde ähnelte mit seinem Phonixsee mit den Sitzbänken, den Spazierwegen, den Schwänen und Enten und dem sauberen Seewasser einer Touristenstadt, sodass ich mich eigentlich so gern an den schönen Strand legen wollte, wenn ich meine Badehose dabei hätte und die Wirkung der Tropfen nachlasse würden.

Die ältere Dame neben mir merkte, dass ich leichte Schmerzen an den Augen hatte. Wir kamen ins Gespräch, während wir genüsslich Kaffee tranken. Ich hatte in einer der älteren Ausgaben der Stimme der Nordstadt einen Bericht über die Geschichte des Ortes gelesen. “ Wussten Sie auch, dass hier früher eine Fabrik gestanden haben soll? “ Ja“ entgegnete sie mir. Das war eine der wenigen Fabriken, die Dortmund zu einer Großstadt wachsen ließen. Diese Fabrik des Hoeschkonzernes soll eine große Metallfabrik gewesen sein, die im Dreischichtbetrieb produziert haben soll. Zehntausende Arbeiter sollen hier gearbeitet und Schweißtränen gegossen haben.

Die alte Dame erzählte, dass ihre Verwandten und Bekannten jahrelang in dieser Fabrik gearbeitet hätten und blickte dabei traurig in die Ferne. Auf dem Gelände der damaligen Fabrik, deren Schornstein 24 Stunden am Tag geraucht hatten, stehen jetzt Luxushäuser. Sie zeigte mit ihrem Finger auf diese Häuser und redete weiter: “ Früher stand da ein Friedhof für Arbeiter, die sehr hart arbeiteten und heute steht an derselben Stelle ein moderner Friedhof.“ Der Phonixsee, den ich zum ersten Mal in meinem Leben sah und sein Anblick meine Seele sehr beruhigte und freute, ist für diese alte Dame ein Ort voller trauriger und fröhlicher Erinnerungen eines ganzen Lebens.

Auch wenn sie ihre Jugend vermisst und gerne an die alte Zeit zurückdenkt, ist sie mit ihrem jetzigen Leben auch zufrieden. Die Atmosphäre und der Anblick des Phonixsees beruhigte unsere beiden Seelen.

Ich dachte jetzt auf einmal über die Orte und Städte in Deutschland nach, in denen ich gelebt hatte und was sie mir eigentlich bedeuteten. Darüber hatte ich mir heute Morgen überhaupt keine Gedanken gemacht. An einigen dieser Orte lebte ich lange und an anderen eine kurze Zeit. Aber sie alle hatten einen Platz in meinen Erinnerungen.

Wie ein warmer Wind rief mir der Phoenixsee süße und bittere Erinnerungen in den Sinn und ließ sie wieder lebendig werden. Ich hätte niemals gedacht, dass dieses überfüllte und mir fremde Dortmund meine Seele derart beruhigen und mein Herz mit Freude füllen konnte. Es kam mir so vor, als ob die Schweißtropfen der Arbeiter auf dem Seewasser glänzten. Wie könnte denn diese einzigartige Sehenswürdigkeit, die die Spuren der Schweißtropfen der Arbeiter trägt, uns so fremd und so weit entfernt vorkommen?

(Deutsche Übersetzung: Özgür Metin Demirel)

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*