Die jederzeit lebendige und fröhliche Straßen der Nordstadt schienen zu den Anfängen der Pandemiezeit fast unbewohnt und verlassen zu sein. Wir haben während der Pandemiezeit die Straßen in der Nordstadt hinreichend beobachtet. Wir merken mittlerweile, dass sich das Staunen der ersten Zeit so langsam auflöst, das Leben auf den Straßen der Nordstadt sich langsam wieder normalisiert.
ABBAS DOĞAN
In der Anfangszeit der Corona-Pandemie war es so, als ob jederzeit fröhlichen und lebendigen Straßen in der Nordstadt unbewohnt und verlassen zu sein schienen. Menschen, die vorher auf den Straßen lautstark sprachen, Musik hörten, verschiedenes feierten, sich miteinander unterhielten, waren alle auf einmal wie vom Erdboden verschluckt. Es war auch lange Zeit verboten sich im Nordpark aufzuhalten. Deswegen suchten die Augen vergeblich nach der so geliebten Landschaft. Nachdem aber die Maßnahmen allmählich nach und nach gelockert wurden und der Zugang zu den Parkanlagen wieder erlaubt wurde, wurden fast alle Sitzbänke wieder einmal überfüllt. Die gewohnten Sommertage traten wieder einmal hervor. Man konnte wieder beobachten, wie hier wieder allmählich die geltenden Regel überschritten wurden.
Die Tugend der deutschen Disziplin
In der Nordstadt gilt auch der alte Spruch des „Deutschland ist diszipliniert“. Aber es muss auch hinzugefügt werden, dass seit den Anfängen der Pandemie auch nicht Wenige sich auf den Straßen aufhielten. Hier kommt die deutsche Tugend zum Spiel. Diejenigen, die sich nicht an die Regeln halten, werden sofort ermahnt. Die soziale Distanz muss unbedingt eingehalten werden. Auch MigrantInnen halten sich allgemein an die Regeln. Wenn sie aber diese missachten sollten, werden sie von ihren deutschen Nachbarn und Freunden streng kritisiert und ermahnt. Die meisten Cafés und Läden haben weiterhin geschlossen. Die Geschäfte, Friseurläden, Parkanlagen, Kinderspielplätze, Schulen und Kindergärten und Kindertagesstätten haben wieder geöffnet. Die Hygieneregeln und die soziale Distanzregel gelten weiterhin und es herrscht Maskenpflicht für alle. Personen, die nicht zu der selben Familie hinzugehören, treffen sich auch mittlerweile miteinander.
Einige ältere Menschen, die zu der Risikogruppe zählen, haben sich sogar in der Hochphase der Corona-Pandemie in Risiko begeben und gingen trotz der hohen Ansteckungsgefahr in den Straßen der Nordstadt spazieren. Wir trafen auf dem “ Roten Platz“ in der Münsterstraße, der seinen Namen von der roten Farbe des Platzes hat, mehreren ältere Personen. Auf diesem haben diese sich nach dem Einkauf ausgeruht. Hier verschnauften sie ein wenig. Viele gingen hier mit ihren Hunden spazieren. Viele ältere MigrantInnen wollten hier auch nach frischer Luft schnappen und die Sonne genießen. Heute treffen wir hier fast genauso viele Menschen, wie vor der Corona- Zeit auch.
„Oh Corona, Corona warum bist du auf Weltreise/ Was hast davon, wenn Du uns aufsuchst. Wir bedecken doch unsere Nase mit einer Mundschutzmaske“. Dieser Reim aus dem Schwarzen Meergebiet wird auch in der Corona-Zeit in der Nordstadt vorgetragen/gesungen. Da keine Pflicht zum Tragen von medizinischen Masken besteht und jeder/jede seine/ihre Maske auch selber basteln darf, wird es auch sogar zum Teil optisch sehr bunt. Viele tragen ihre Masken auch in ihren Hosen- oder Handtaschen oder doch lieber unter dem Kinn.
Kann man die Vorbestimmung lesen?
Vor der weißen Wand der Kirche treffen wir auf zwei alte Migranten und grüßen sie von Weitem, indem wir gegenseitig unsere flache Hand auf unsere Herzen führen. Dann unterhalten wir uns und informieren uns gegenseitig nach unserem Wohlbefinden?
Wir reden natürlich über die Corona- Pandemie. An anderen Tagen hätten wir wohl unsere Zeit dafür hergegeben, um über einige Kulturunterschiede in erlaubtem Maße zu reden. Wir hätten uns über Diskriminierung ausgelassen.
Jetzt beschweren sie sich über diese Zeit und offenbaren ihre Gefühle. “ Wie sollen wir schon den Tag verbringen? Alle Läden sind geschlossen. Zu Hause langweilen wir uns. Wir können es kaum abwarten, hierher zu kommen“ sagen sie. Hier würden sie wenigsten die Sonne sehen. Einer von ihnen sagt, dass er sich in dieser Zeit an Allah zugewandt hätte. Er fragt: “ Wer hat diesen Virus erschaffen? Allah hat doch wohl auch diesen Virus erschaffen?“ Er fragt weiter: “ Allah sieht mich wohl nicht nur hier, sondern auch bei mir Zuhause?“ Der andere bestätigt bejahend und sich ergebend: “ Es wird geschehen, was unsere Vorbestimmung ist“.
Als ich ihn frage, ob er den seine Vorbestimmung kenne, staunen beide ein wenig. Wir sagen etwas ironisch, dass sie hinter dem Stirn ein denkendes Organ besitzen würden. Ist es denn nicht so, dass der Gott auch die Krokodile und Bären erschuf. Wenn Menschen aber auf der Straße diesen Lebewesen antreffen, würden alle prompt weglaufen. Wenn sie diesen Gedanken auch auf den Virus übertragen, geben sie uns sofort recht. Es müssen unbedingt Vorkehrungen getroffen werden.
‚ Wir sind da und wir helfen gerne‘
Auch Solidarität ist heute ohne wenn und aber von Nöten. In Pandemiezeiten kommt Solidarität und gegenseitiger Unterstützung große Bedeutung zu. Wir müssen uns bedingungslos gegenseitig unterstützen. Um diese dunklen Tage überwinden zu können, müssen wir uns an unsere Menschlichkeit festklammern. Viele Vereine und Institutionen werden in diesem Sinne aktiv tätig. Wir begleiten ältere Menschen und bieten Bedürftigen unsere Hilfe an. Wir machen auch bei der Aktion „Händeklatschen für Helden“ jeden Abend um 21:00 Uhr aktiv mit. Frauen, die Mundschutzmasken nähen, leisten einen überaus großen Beitrag. Es ist überaus sinnvoll, dass derartige Aktionen solange die Pandemiezeit andauert, fortgeführt werden.
Die Bewohner der Nordstadt, die wir während der Hochphase der Pandemie desöffteren mit hoher Interesse beobachtet haben, lassen jetzt das Staunen der ersten Tage langsam hinter sich und das Leben in der Nordstadt normalisiert sich allmählich. Alle Menschen auf den Straßen, in den Parkanlagen, mit oder ohne Wohnung sind jetzt wieder glücklich. Du wirst auch diese schwierigen Zeiten überwinden Nordstadt. Möge doch erst einmal der Sommer kommen!
(Übersetzung: Özgür Metin Demirel)
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