Kunst erschafft den Menschen aufs Neue

ERDAL DENİZ

Wenn wir unserem Dasein auf dieser Erde einen Sinn geben wollen, müssen wir unbedingt uns künstlerisch betätigen. Um unserer Freiheit willen sind wir dazu verpflichtet.

Die Kunst erschafft den Menschem aufs Neue. Dieser Erschaffensprozess vollzieht sich als eine Revolution am Charakter des Menschen. Ein Kunstschaffender wird nie mehr so sein wie vorher. Er ist nun vom hellen Licht der als Kunst bezeichneten Revolution berührt und zu einem anderen aufgeklärten Menschen herangewachsen.

Auf das Alter oder die Zeit kommt es überhaupt nicht an, um sich künstlerisch zu betätigen und sich durch ihre Unterstützung zu vervollständigen. Die wichtigste charakteristische Besonderheit des Menschen, was ihn von den anderen Lebewesen unterscheidet, ist seine Fähigkeit, zu träumen. Träumen zu dürfen ist eine Tugend, die uns daran erinnert, dass wir Menschen sind. Die Zeit beinhaltet auch gleichsam Kontuinität. Was sich in der Vergangenheit ereignet, verbindet uns mit dem Heute und das, was wir heute machen, bringt uns unserer Zukunft näher. Um die Gegenwart besser zu verstehen, schauen wir sehr oft in die Vergangenheit. Wir versuchen aus ihr zu lernen und damit in unsere Zukunft zu blicken.

Bevor die Menschen die Schrift erfunden haben, lernten sie Bilder zu malen, Skulpturen zu hauen und zu meißeln. Sie haben diese als Kommunikationsmittel eingesetzt. Sie haben ihre Realität und die Wirklichkeit ihrer Welt in Steine gemeißelt, abgebildet und verwendeten dazu sehr einfache Symbole. Diese sehr intelligenten Werke konnten sie so an ihre Nachkommenschaft weitervererben. Wir wollen uns nicht mit dem Alter und dem Bildungsstand dieser Künstler beschäftigen, die uns ihre Werke vermochten. Wir beschäftigen uns viel mehr mit ihren Werken, die wetvolle Meisterwerke sind. Diese Dokumente machen uns deutlich, wie intelligent die Künstler zu der Zeit schon gewesen waren und sie damals schon in der Lage waren mit einigen, wenigen Figuren über ihr Leben zu berichten. Kunst nimmt seit den Anfängen der Menschheitsgeschichte eine überaus grundlegende Rolle und eine besondere Stellung ein Kunst ist die neue Utopie unserer Zeit und der Künstler ist der Aktivist dieser Utopie Künstlerische Produktivität und die Beziehungen und Verhältnisse, die die Menschen miteinander pflegen sind eng miteinander verbunden. Diese berühren und beeinflussen sich gegenseitig. Heutzutage wird uns eine tiefgreifende Entartung, Verfremdung und Vereinsamung geboten. In unserer Gegenwart zählt nur die Profitmaximierung. Die zwischenmenschlichen Beziehungen werden heute von einer ungleichmäßigen Verteilung der Lebensgrundlagen bestimmt. Die Ungerechtigkeit hat die Überhand gewonnen und endet im gesellschaftlichen Verfall. Unter dieser Bedingung verstehen wir die Kunst als eine Art Aktion, die dazu in der Lage ist, Veränderungen für das Individuum zu schaffen. Kunst ist ein Ort des Aufatmens und bietet dem Menschen neue Hoffnung.

Heute wird Kunst als etwas „ Unwichtiges“ geschildert, „ ohne deren Existenz“ auch alles Andere ginge. Oder sie wird für eine kleine Elite als ein Argument des sich Beglückens mißbraucht. So stellt sich diese falsche Sicht über die Kunst als ein Angriff gegen die Kunst dar, die versucht die Bedeutung und den Wert der Kunst herabzusetzen. Die Herrschenden hinterfragen das Leben und die gesellschaftlichen Verhältnisse nicht und erwarten von uns allen, dass wir ihre Programme voll und ganz akzeptieren und uns ohne wenn und aber ihren Vorgaben unterordnen. Aus diesem Grunde fürchten sie sich gerade vor der Kunst und dem Künstler.

Ich begegne bei vielen meiner Freunden mittleren Alters oder im Rentenalter immer wieder folgender oder ähnlicher Haltung. „ Kunst ist nur Zeitverschwendung. Ich bin schon zu alt dafür. Ich tauge ja zu nichts mehr und mir fehlt dazu die Gabe“ oder „ Ich verstehe nichts von der Kunst, aber…“. Diese Herangehensweise beweist mir, dass diese Freunde leider den Kern der Kunst nicht ganz verstanden haben. Kunst hat ja wie oben schon geschildert den Sinngehalt, den Menschen aufs Neue zu erschaffen und ihn weiterzuentwickeln. Diese Haltung ist sowohl bei der Kunst als auch im wirklichen Leben nicht haltbar. Es wäre fatal, so einen Unsinn von sich zu geben, während man doch versucht dir Zeit so rational wie möglich zu gestalten.

Das ginge ja an der Lebenswirklichkeit vorbei. Die klassischste, klischeehafte Antwort, die mensch auf diese Sichweise geben kann, wäre folgende: „ Beim Lernen gibt es keine Altersbeschränkung.“ Jeder Mensch ist in der Lage jederzeit und zu jedem Alter zu lernen. Wir müssen uns nur über den Sinngehalt klar werden, warum wir etwas Neues lernen wollen. Solange der Mensch es versteht zu hinterfragen, zu lernen und seinen Träumen nachzugehen, produziert er weiter. Wenn wir uns mit Sachen beschäftigen, die wir lieben und die uns Freude bereiten, können sich unsere Träume erfüllen. Deswegen ist die Kunst auch nicht abhängig von den Fähigkeiten der Menschen, sondern entsteht aus dem Willen und Forderungen der Menschen. Wir müssen immer wieder hinterfragen, ob wir gegenüber neuen und unterschiedlichen Gedanken aufgeschlossen sind oder diese nicht zulassen und akzeptieren wollen. Während wir versuchen das Neue zu verstehen, müssen wir uns von unseren vorhandenen Vorurteilen befreien. In unserer Epoche verlieren neue Gedanken und Sichweisen, solange diese nicht in Waren und über die Ware zu Geld gemacht werden können, in den Grenzen der gesellschaftlichen Ordnung ihren Sinnesgehalt und ihre Bedeutung. In diesem Zusammenhang wirkt ein neuer Gedanke, wenn er einen kollektiven, gesellschaftlichen Wert beinhaltet, nicht sympathisch.

Dennoch brauchen neue Gedanken und Sichtweisen neue Freunde. Vielleicht können nicht alle zu einem Leonardo Da Vinci , Pablo Picasso oder Ludwig van Beethoven heranwachsen, aber jederzeit kann ein neuer großer Künstler irgendwo auf der Welt geboren werden. Es ist nicht unsere Aufgabe, den Zeitpunkt, den Ort und das Alter dieses Künstlers zu bestimmen. Außerdem dürften wir während wir uns künstlerisch betätigen, nicht eine Sichtweise innehaben, die darauf basiert uns mit berühmten Künstlerinnen messen zu wollen.

Ich rufe alle Menschen dazu auf, die an jedem Tag bei jeder Morgen- oder Abendschicht einer Tätigkeit nachgehen müssen, die ihnen gar keine Freude und gar keinen Spaß bereitet, oder den ganzen Tag arbeiten müssen ohne ihre Arbeit zu mögen oder die sich irgendwo die Zeit totschlagen, gemeinsam über eine alternative Welt nachzudenken und für diese einzutreten.

Wenn wir das schaffen können, dann werden die Sachen, die wir machen, wieder einen Sinn haben. Erinnern wir uns an Sokrates Worte, der gesagt hat: Ein Leben, das nicht kritisch untersucht wird, ist es nicht wert, gelebt zu werden.“ Reichen wir uns aus diesem Grunde die Hand und verändern wir unser Leben. Lasst uns gemeinsam diese Revolution wagen: Machen wir gemeinsam Kunst.

(Übersetzung: Özgür Metin Demirel)

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